Mit Tinnitus unbeschwert leben
Oft lassen sich die Ursachen beheben oder gut behandeln. In vielen Fällen kann das Ohrgeräusch wieder völlig abklingen, es kann aber auch bleiben. Prinzipiell ist es aber wichtig, gleich zu Beginn des Tinnitus eine fachärztliche Untersuchung anzustreben, um eine mögliche Ursache zu finden, die dann behandelt werden sollte. Die meisten Forscher gehen heute davon aus, dass die Tinnitus-Wahrnehmung im Gehirn entsteht und nicht durch das Hörorgan (Ohr) erzeugt wird. Diese zentrale Erkenntnis ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Therapie.
Tinnitus Retraining Therapie nach Adano (TRT/ADANO)
Man nimmt an, dass Ohrgeräusche aufgrund mangelhafter Filterwirkung des Gehirns in Einzelfällen zur menschlichen Wahrnehmung gelangen. Dieser Prozess ist unter bestimmten Voraussetzungen reversibel und daher die Grundlage der bewährten und durch internationale Studien belegten Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) beim chronischen Tinnitus. Der Therapiezeitraum erstreckt sich erfahrungsgemäß über 1,5 - 2 Jahre. Bei einem chronischen Tinnitus ist die Tinnitus-Retraining-Therapie als eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen HNO-Arzt, Psychotherapeut und Hörakustiker gefragt. Vom HNO-Arzt wird die Diagnose gestellt, der ärztliche oder psychologische Psychotherapeut befasst sich mit dem Angstabbau bei den Patienten und hilft bei der Entspannung. Dann setzt der Hörakustiker an:
Ein einfach zu veranlassender, aber wichtiger und wirksamer Therapieversuch bietet sich dann an, wenn neben dem Tinnitus eine Hörminderung bzw. Schwerhörigkeit besteht. Durch die Anpassung eines Hörgerätes (HG) können wieder mehr Geräusche wahrgenommen werden. Die dadurch verstärkten Umgebungsgeräusche lenken vom Tinnitus ab, ohne ihn zu verstärken. Alternativ dazu verfügen einzelne Hörgeräte über eine Kombination aus Hörgerät und Tinnitus-Noiser/-Masker. Diese sog. Tinnitus-Instruments bieten eine alternative oder gleichzeitige Nutzung der Hörgeräte- und Tinnitus-Noiser/-Masker-Funktion. Der Hörakustiker individualisiert dazu neben den eigentlichen Hör-Programmen ein spezielles Tinnitus-Programm welches der Nutzer je nach Bedarf und Empfehlung zur Therapie anwählen und nutzen kann.
Vor allem in ruhiger Umgebung ist die Belästigung des Tinnitus meist deutlich höher als in geräuschvoller Umgebung, deshalb gilt der Rat für alle Tinnitus-Patienten, die Stille zu meiden und sich mit Geräuschen zu umgeben. Ziel soll es sein, die Wahrnehmung des Tinnitus abzuschalten, indem man lernt wegzuhören. Dazu sind eine ausführliche Aufklärung, Übung und Motivation notwendig, wobei auch die Selbsthilfegruppen unterstützen können.
Es besteht in fachlichen Kreisen weitgehende Übereinstimmung, dass die Hörtherapie mit einem HG indiziert ist, wenn eine Hörminderung bzw. Schwerhörigkeit vorliegt. Es konnte gezeigt werden, dass sich bei 70% der Betroffenen eine Verbesserung der Tinnitus Belastung durch ein Hörgerät auch bei geringem (Hochton-) Hörverlust erreichen lässt. Mit modernen digitalen Hörgeräten lassen sich jetzt auch Patienten mit Hochtonschwerhörigkeit und hochfrequentem Tinnitus besser versorgen als noch vor Jahren.
Im Fall einer Anpassung von Hörgeräten erfolgt diese generell entsprechend den geltenden Hilfsmittelrichtlinien und durch den qualifizierten Hörakustiker. Gerne beraten wir Sie persönlich in einem unserer Fachgeschäfte.
Soundtherapie mit Rauschgenerator (RG), 'Masker' bzw 'Noiser' (TG)
Damit Betroffene mit Normalhörigkeit mit dekompensiertem Tinnitus ruhige Freizeit- oder Arbeitstätigkeiten besser tolerieren können, ist die Anpassung und Nutzung eines “Rauschgenerators (RG), “Noisers” oder “Maskers”- nach den Heil- und Hilfsmittelkatalogen offiziell als „Tinnitusgerät (TG)“ bezeichnet - im Gebrauch. Sie ähneln einem Hörgerät, produzieren ein leises, aber angenehmes und annähernd verdeckendes Rauschen und kommen bevorzugt in ruhiger Umgebung zur Anwendung. Damit kann der Tinnitus „umspielt“ werden: die Wahrnehmung des Tinnitus kann stark zurückgehen, wenn das Gehör andere Geräusche wahrnimmt.
Die dafür speziell geschulten Köttgen Hörakustiker ermitteln Art, Frequenz und den Pegel der Tinnitusintensität, stellen das Tinnitusgerät entsprechend individuell ein und betreuen den Betroffenen während des Therapiezeitraums fortlaufend. Der Gehörgang bleibt dabei weitestgehend frei, somit wird das gewohnte Hörvermögen praktisch nicht beeinträchtigt. Die Technik unterscheidet sich äußerlich grundsätzlich nicht von einem klassischen Hörgerät, ist meist als Hinter-dem-Ohr-Gerät oder auch als Im-Ohr-Gerät, verfügbar. Das Im-Ohr-Gerät empfiehlt sich nur bei einem weiten Gehörgang, damit es den Ohrkanal nicht verschließt. Gerne beraten Sie unsere Hörakustiker vor Ort zu weiteren Details dieser Therapieform in einem unserer Fachgeschäfte.
Counseling / Beratung
Beratung bei Tinnitus beinhaltet zu einem großen Anteil die Informationsvermittlung über die Funktionsweise und mögliche Fehlfunktionen im Hörsystem, die Möglichkeiten der Einflussnahme darauf sowie Erklärungen zu Sinn und Unsinn von verschiedenen medizinischen Anwendungen oder Heilversuchen. Hinzu kommt die Informationsvermittlung über häufige Folgesymptome des Tinnitus, wie Schlafstörungen und Depressivität. Schon seit Beginn der medizinisch-wissenschaftlichen Beschäftigung mit Tinnitus wurde die Beratung (Counseling) des betroffenen Patienten als zentraler Behandlungsansatz herausgestellt. Diese Beratung gilt als 'das Kernstück der Tinnitus-Therapie'.
Der zweite große Komplex eines Counseling umfasst beratende Hinweise im engeren Sinne. Diese beziehen sich u.a. auf Verhaltensweisen der Krankheitsbewältigung, den Umgang mit Schlafstörungen, Vor- und Nachteile von langfristigen Krankschreibungen wie auch günstige Verhaltensweisen bei bestehender Hörminderung.
Gibt es sie, die Tinnituspille?
"Eine tinnitus-symptom-bezogene Arzneimitteltherapie steht nicht zur Verfügung" stellt die Leitlinie Chronischer Tinnitus [AWMF 2016] fest. Trotz zahlreicher Studien in den vergangenen Jahrzehnten gibt es keinerlei Wirknachweis für einen medikamentösen Ansatz, weder auf die Beseitigung des Symptoms Tinnitus noch auf eine Reduktion der Lautheit.
Es kann aber Sinn machen, die Tinnitus-Belastung dadurch zu senken, dass die häufig sehr belastende Schlafstörung und die psychische Begleiterkrankung (Depression, Angst) übergangsweise psychopharmakologisch reduziert wird (vgl. AWMF 2016). Eine Psychotherapie sollte bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung aber immer die Behandlung erster Wahl sein.
Entspannungstechniken
Bei verschiedenen Arten des Tinnitus sind vor allem Entspannungstechniken hilfreich, um Stress abzubauen und damit die Wahrnehmung des Tinnitus zu reduzieren. Bei Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule (siehe oben) sind physiotherapeutische Maßnahmen eine gute Therapie.
Es gibt eine Unzahl an alternativen Behandlungsmethoden, bei denen aber teilweise noch nicht ausreichend wissenschaftliche Erfolge vorliegen. Über den HNO-Arzt kann man sich über verschiedene Behandlungsmethoden informieren, ebenso wie über die Deutsche Tinnitus-Liga DTL.
Tinnitus Apps
Verschiedene Hörgeräte-Anbieter entwickeln Tinnitus-Apps, die vom Nutzer oder vom Hörakustiker auf die eigenen Bedürfnisse angepasst werden können. Somit ist die Tinnitus-App jederzeit über das Smartphone und überall nutzbar.
(Diese Verfahren sind bisher nicht sicher wissenschaftlich belegt.)